Zum Violinkonzert

Uraufgeführte Werke bewiesen ausgezeichnetes inneres Gehör

“Brückenschlag” zur Moderne

Uraufführungen in Paderborn, nicht zu verwechseln mit Paderborner  Uraufführungen, sind echte Raritäten. In den Genuß, gleich zweier solcher Seltenheiten beizuwohnen, kamen die Besucher des von der Rudolf-Steiner-Werkgemeinschaft e. V. (Schloß Hambom) veranstalteten Sinfoniekonzertes am Dienstagabend.
Aber der Reihe nach. Eröffnet wurde das Konzert mit der Ouvertüre zur Oper “Der Freischütz" von Carl Maria von Weber. Sieht man von einigen kleineren sichtbaren und auch hörbaren Mißverständnissen zwischen Gastdirigent Robert Wolf und den Musikern der Nordwestdeutschen Philharmonie ab, zeigte sich schon hier das Orchester als engagierter Klangkörper, der die Extreme zum Beispiel in der Dynamik nicht scheut, sondern auszunutzen weiß.
Es folgte die erste Uraufführung des Abends, Raimund Schwedelers Konzert für Violine und großes Orchester in F op. 9. Angeregt wurde der beim Konzert anwesende Komponist zu diesem Werk durch Kurt Kluges Buch “Die Zaubergelge".
Um es vorwegzunehmen. Eine wissenschaftlich fundierte Werkkritik verbietet sich von selbst, daß sie ein eingehendes  Partiturstudium voraussetzt, das dem Rezensenten jedoch nicht möglich war. Deshalb soll an dieser Stelle lediglich ein einmaliger Klangeindruck wiedergegeben werden.
Das Werk dokumentiert ein ausgezeichnetes inneres Gehör des Komponisten für Klangfarben, sowohl in der Instrumentierung wie auch in der Harmonie. Ist von Harmonik die Rede, so deutet dies schon darauf hin, daß es sich um ein Werk handelt, dessen Kompositionsweise sich durchaus auf traditionellen Bahnen bewegt. Als traditionell können sowohl das verwendete kompositorische Material als auch Satztechnik, Form und Tonerzeugung bezeichnet werden.
Besonders interessant klang zuweilen die rhythmisch-metrische Struktur, die zusammen mit anderen musikalischen Parametern zuweilen schwebende wie dann auch wieder sehr fixierte Eindrücke hinterließ. Meisterhaft interpretierte Peter Heidrich den sehr instrumentengerechten Solopart, der den Solisten dennoch vor teilweise sehr schwierige Aufgaben stellt. Tongebung und agogischer Spannungsverlauf gefielen ausgezeichnet.
Der Komponist Raimund Schwedeler bewies auch in der zweiten Uraufführung des Abends seine kompositionstechnisch-individuelle Meisterschaft, indem er satztechnisch vielfältig, so in kontrapunktischer Arbeit, wie auch homophon harmonischer Setzweise aufwartete, ohne jedoch auf neue Stilmerkmale zu verzichten. Sie äußerten sich vor allem In Skalengebrauch wie auch in harmonischer und rhythmischer Hinsicht. Die Werke waren beide angenehm zu hören, da sich in ihnen Spannung und Entspannung organisch vollzogen.
Die Gründe für die Anlehnung an überlieferte musikalische Parameter sind sicherlich vielschichtiger philosophischer (zum Beispiel ästhetischer) Natur. So ist es ein musikwissenschaftlich bewiesenes Faktum, daß die meisten Musikhörer Ohren des 19. Jahrhunderts besitzen, also nicht in der I,age sind, neueste Klänge und deren Kompositionsprinzipien hörend zu erfassen. Neoromantische Züge in der Verquickung mit neueren Stilelementen und Satztechniken können so auch als ein Brückenschlag von der Romantik zur Moderne gelten.
Das Orchester jedenfalls zeigte seine Zuneigung zu den Kompositionen durch engagiertes und lebhaftes Musizieren.
Neue Westfälische vom 13. 10. 1985.

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